Mama-Schutzengeltasse
Maeve ist 8 Jahre alt und sie war fünf Jahre alt, als ihre Mama starb.
Ihr Bruder war da grade 2.
Beate Seemann, Erzieherin und Familientrauerbegleiterin bei LAVIA Familientrauerbegleitung war vor, bei und lange Zeitnach dem Sterben an der Seite der Familie. Maeve besuchte bis zu diesem Dezember regelmäßig 1x monatlich die Kindertrauergruppe, ihr Vater kam zur Elterngruppe, was tatsächlich auch ein Vorbildfunktion für die Kinder hat.
Der Vater, der so liebevoll seine Kinder umsorgt, kam mit ihnen zum Weihnachtssingen zum LAVIAhaus. Alle Gäste sollten für den Kinderpunsch nach Möglichkeit eine Tasse mitbringen und Maeve zeigte strahlend die Lieblingstasse ihrer Mama, die sie geerbt hat.
Und ihr dürft Sie alle sehen, die Mama-Schutzengeltasse. Maeve hat sie dafür in die Kamera gehalten. Gerne und stolz.
Gewärmt
Es war ein warmer Tag, draußen und auch im Raum, als der Betreuer einer Kinderwohngruppe dem 9-jährigen Jungen sagte, dass seine Mama gestorben sei. Der kleine Kerl fröstelte und der Betreuer legte eine Decke um ihn und nahm ihn in den Arm.
So gut aufgehoben sein in einer schweren Situation wünsche ich vielen Kindern.
Kein Gerede mit „Sei jetzt tapfer!“ sondern ein „ …es ist auch traurig, komm, ich habe hier eine Decke für dich, du frierst ja“, ist so wert- und liebevoll.
Und wir besuchten später noch die tote Mama und es fand schon vor und noch viele Monate nach dem Tod Trauerbegleitung durch LAVIA Familientrauerbegleitung statt.
Dank Spenden.
Danke dafür.
"Dann ess` ich nie mehr was...!"
Als die Mama stirbt, ist Luis fünf Jahre alt. Im Kindergarten fällt den Erzieherinnen auf, dass er gar nicht traurig wirkt.
„Das ist schön & auch komisch“, denkt die Erzieherin, die damit gerechnet hat, dass Luis nun erst mal eine ganze Weile trauert, bis es dann „wieder gut“ ist.
Was die Erzieherin nicht wusste: „Luis erfasst gar nicht die ganze Dimension vom weg-sein, grade vermisst er Mama nicht, weil er ja auch mit seinen Freunden spielt. Aber ab & zu, da wird Mama ihm fehlen & das auch beweinen, beschimpfen, … & es dann wieder bei einer Ablenkung vergessen, wie traurig es grade war - & weiterhin erst mal nicht wissen, wie traurig es noch auf Dauer immer mal wieder sein wird.
„Machen sie sich keine Sorgen um Luis“, sagt die Erzieherin dem Vater am Nachmittag. „Er ist ganz unauffällig.“
„Ach, da bin ich ja froh“, sagt der Papa & ergänzt: „…aber ich hätte schon gedacht, dass er mehr traurig ist …“
Am Abend sitzen Vater & Luis bei Tisch zusammen.
Der Vater bemüht sich trotz Trauer, der Arbeit, Kindererziehung & dem Haushalt „gerecht“ zu werden & zumindest 1x täglich gemeinsam zu essen.
Luis möchte Nutella auf dem Brot haben.
Papa sagt nein. „Abends gibt es kein Nutella.“
„Ich will aber!!“ schreit Luis - wie aus dem Nichts raus. „Bei Mama gab es abends IMMER Nutella!!!!!!!“
„Nein“, sagt Papa. „Das stimmt nicht. Auch bei Mama gab es Nutella nur zum Frühstück.“
„Du bist gemein!“ ruft Luis. „Dann ess‘ ich eben gar nichts mehr. …“ … & dann fängt er an, bitterlich zu weinen: „Ich will meine Mama wiederhaben… Papa, die Mami soll wiederkommen…“
„Und dann musste ich auch weinen und hab dabei Luis auf den Schoss genommen. & dann mussten wir irgendwann lachen, weil seine & meine Schulter ganz nass geweint waren.
Als Luis im Bett lag, ist er nach der Gute-Nacht-Geschichte ganz ruhig eingeschlafen. So, als sei vorher nix gewesen…“
Wir haben die Familie begleitet, Luis & der Vater haben die Trauergruppen besucht, in der Kita waren wir auch. Wir haben erklärt, dass Kinder anfangs nur in den Momenten trauern, wo sie grade vermissen oder verletzlich sind.
Trauer braucht Verständnis.
Und noch mehr.
Lena und der Bestatter Richard Korda
Lena starb an ihrem ersten Geburtstag, für alle überraschend. Rettung, Notfallseelsorge und Polizei, alle waren da, alle waren sehr betroffen.
Lenas Eltern waren geschockt, die kleinen Geschwister verwirrt, die großen auch. Und alle waren so unendlich traurig.
Es geschah in der Coronazeit, als Kontakte eingeschränkt waren.
Meine Kollegin Karin Hesse und ich fuhren nach einem Anruf an einem Sonntag in die Familie - und damit begann eine vielfältige Trauerarbeit.
An dieser Stelle „DANKE“ an mein Lavia-Team, dass in akuten Zeitrn DA ist.
Lena wurde in der Pathologie untersucht und einige Tage später „freigegeben“.
In der Familie hatten wir von der Möglichkeit der Aufbahrung gesprochen, auch, damit bei den Eltern und Geschwistern im Alter zwischen 4 und 15 Jahren Begreifen und Abschiednehmen stattfinden könnte.
Richard Kordt aus Wattenscheid war der Bestatter der Familie. Mit ihm überlegten wir gemeinsam, wo Aufbahrung und Abschiednehmen mit mehreren Familienmitgliedern stattfinden könne. Eine größere Familie, das war in der Coronazeit mit den einschränkenden Auflagen ziemlich kompliziert.
Wir boten das LAVIAhaus an und Richard Kordt machte es möglich, dass Lena dort gut liegen konnte.
Weitere LAVIA Familientrauerbegleitung fand in dieser Zeit online oder in der großen Jurte im Garten statt.
Richard Kordt, dieser gutherzige Bestatter, ist gestern beerdigt worden.
Das hat viele Menschen, mich eingeschlossen, sehr traurig gemacht. Er war so ein guter warmherziger Mann! Er war ein so wertvoller Möglichmacher. Ich kann keine anderen Worte finden.
„Geht nicht, gibt’s nicht“, sagte er meinen Seminarteilnehmer:innen. „Irgendwas geht immer!“
Auch dafür schätze ich ihn, dies ist auch mein Motto!
Ich habe Mel und Micha, Lenas Eltern, von Richards Tod erzählt. Sie schrieben daraufhin: „Mein Beileid an seine Familie. Wir können uns noch sehr gut an ihn erinnern. Auch, wie wir zusammen bei Lena waren und wir Lena gemeinsam mit ihm angezogen angezogen haben
. Wir rechnen ihm hoch an, was er alles für Lena und uns getan hat. Ja, erzähle von Lena erzählen und zeig auch Bilder. Mach ruhig. Unser Beileid an seine Familie, er war ein herzensguter Mensch. Liebe Grüße, Mel und Micha“

Am ersten Abend der Aufbahrung aß ich mit der Familie in der Laviaküche am großen Esstisch Pizza.
Auch das kann ein weiterer Teil von Familientrauerbegleitung sein.
Weinen, reden, lachen, fragen, schweigen, wieder weinen - alles mischte sich in dieser Tischgemeinschaft.
Lena war gut im Gruppenraum nebenan untergebracht, mit Stofftieren und viel Liebe ausgestattet.
Am nächsten Tag kam die Nachricht: „Der mittlere Sohn hat Corona…“
Die kleine Lena wurde dennoch weiterhin besucht (manchmal muss man doch Prioritäten setzen, oder?), mehrere Tage war sie Gast in unserem Haus. Der Sarg wurde von innen und außen von der ganzen Familie bemalt und beschrieben.
Nach und nach erkrankte die ganze Familie an Corona und es sah so aus: An der Beerdigung, die auf jeden Fall eine Erdbestattung sein sollte, könnten im schlimmsten Fall nicht alle teilnehmen.
Richards Kordt ermöglichte es dann doch, indem er eine Sondergenehmigung einforderte - was nicht einfach, aber möglich war.
Mehrere Wochen nach Lenas Tod war es dann soweit. Lena konnte im Sarg beerdigt werden, der Papa, der große Bruder und Nachbarn trugen den Sarg zum Grab.
Es war schön - obwohl nichts an Lenas Tod schön war. Aber gemeinsam haben wir alle gemeinsam den Moment bestmöglich gemacht.
Lena ist eine von mehreren liebevollen Begegnungen mit dem Bestatter Richard Kordt. Micha und Mel, danke, dass ich auch von euch erzählen durfte.
Lena ist wie Richard unvergessen.

Wir von LAVIA möchten unser herzliches Beileid der Familie und Freunden ausdrücken und wünschen ebenso von Herzen ganz viel Gutes.
Ich bin dankbar, dass ich Richard Kordt, seiner Familie und seinem Team in meinem Leben begegnet bin.
Ich bin dankbar und traurig.
Papas Geburtstagskerze
Karl ist 6,5 Jahre alt. Ein kleiner großer kluger pfiffiger Junge. Als sein Papa im Sommer 2024 überraschend starb, war er dabei.
Wenn‘s traurig ist, pfeift er.
Seine Mama sagt mir, das macht er, weil er nicht weinen will. Wer pfeift, kann nicht gleichzeitig weinen - ein Trick.
Der Trick ist ok, Karl darf das natürlich einsetzen - aber, wie kommt er eigentlich dazu?
Wer hat ihm Pfeifen statt weinen beigebracht?
Seine Mama nicht und sie sagt, auch nicht der Papa. Der zeigte seine Gefühle.
Also wer?
Die Gesellschaft, die schon in der Kita prägend ist. „Hahahaha, der Kaarl, der heult ja …“
Die Erzieher:innen, die keine Bücher zu Traurigkeit in der Gruppe haben - weil es sie selbst vielleicht zu traurig macht?
Oder der Opa: „Karl, du bist jetzt der Mann im Haus. Du passt auf die Mama auf, ja? Schlag ein! Gib mir Fünf!“
Pfeifen statt weinen …
Seine Mama meldet sich bei uns und fragt nach einem Treffen. Zusammen sitzen wir am Küchentisch im LAVIAhaus: die Mama, Karl, Malte und ich. Nero, der Trauerhund, liegt unterm Tisch.
Der LAVIA Gefühlsstein geht herum, wir schauen die Gefühlsmonster an, und dann geht Malte mit Karl in den Nebenraum. Und während ich mit Karls Mama spreche, die auch zu unserer Elterntrauergruppe kommt, bemalen Malte und Karl nebenan jeweils eine Grabkerze.
Karl für Papa und Malte, der Familientrauerbegleiter für seinen Opa. Dabei unterhalten sie sich und Karl erzählt ganz viel. Er pfeift nicht.
Als sie zu uns in die Küche zurückkehren und die Kerzen zeigen, frage ich, was die vielen Striche auf Karls Kerze bedeuten. „Kerzen“, sagt er. „47 Kerzen“, weil Papa übermorgen Geburtstag hat. Dann ist er 47 Jahre alt.“
Und dann bewundern wir seine Kerze, ich frage, ob ich sie fotografieren und hier auf Facebook zeigen darf.
Ich darf- aber nur die eine Seite. Die mit den Kerzen.
Nicht die andere Seite und nicht die Geheimbotschaft unter dem goldenen Deckel.
Am Abend schreibt mit die Mama von Karl noch eine Nachricht:
„Liebe Mechthild, lieber Malte.
Ich danke euch für den schönen Nachmittag!
Karl war heute Abend so ausgeglichen, entspannt und reflektiert wie lange nicht mehr 
Er fand es toll und möchte gerne wiederkommen 



Liebe Grüße, Verena.“
Das freute uns von

Diese Begleitung ist übrigens nur durch die Spenden vieler möglich. Junge Familien geraten durch den Tod oft in eine finanzielle Notlage.
Papas Geburtstagskerze
Karl ist 6,5 Jahre alt. Ein kleiner großer kluger pfiffiger Junge. Als sein Papa im Sommer 2024 überraschend starb, war er dabei.
Wenn‘s traurig ist, pfeift er.
Seine Mama sagt mir, das macht er, weil er nicht weinen will. Wer pfeift, kann nicht gleichzeitig weinen - ein Trick.
Der Trick ist ok, Karl darf das natürlich einsetzen - aber, wie kommt er eigentlich dazu?
Warum weint der kleine Kerl nicht einfach, wenn ihm zum Weinen zumute ist?
Wer hat ihm Pfeifen statt weinen beigebracht?
Seine Mama nicht und sie sagt, auch nicht der Papa. Der zeigte seine Gefühle.
Also wer?
Die Gesellschaft, die schon in der Kita prägend ist. „Hahahaha, der Kaarl, der heult ja …“
Die Erzieher:innen, die keine Bücher zu Traurigkeit in der Gruppe haben - weil es sie selbst vielleicht zu traurig macht?
Oder der Opa: „Karl, du bist jetzt der Mann im Haus. Du passt auf die Mama auf, ja? Schlag ein! Gib mir Fünf!“
Pfeifen statt weinen …
Seine Mama meldet sich bei uns und fragt nach einem Treffen. Zusammen sitzen wir am Küchentisch im LAVIAhaus: die Mama, Karl, Malte und ich. Nero, der Trauerhund, liegt unterm Tisch.
Der LAVIA Gefühlsstein geht herum, wir schauen die Gefühlsmonster an, und dann geht Malte mit Karl in den Nebenraum. Und während ich mit Karls Mama spreche, die auch zu unserer Elterntrauergruppe kommt, bemalen Malte und Karl nebenan jeweils eine Grabkerze.
Karl für Papa und Malte, der Familientrauerbegleiter für seinen Opa. Dabei unterhalten sie sich und Karl erzählt ganz viel. Er pfeift nicht.
Als sie zu uns in die Küche zurückkehren und die Kerzen zeigen, frage ich, was die vielen Striche auf Karls Kerze bedeuten. „Kerzen“, sagt er. „47 Kerzen“, weil Papa übermorgen Geburtstag hat. Dann ist er 47 Jahre alt.“
Und dann bewundern wir seine Kerze, ich frage, ob ich sie fotografieren und hier auf Facebook zeigen darf.
Ich darf- aber nur die eine Seite. Die mit den Kerzen.
Nicht die andere Seite und nicht die Geheimbotschaft unter dem goldenen Deckel.
Am Abend schreibt mit die Mama von Karl noch eine Nachricht:
„Liebe Mechthild, lieber Malte.
Ich danke euch für den schönen Nachmittag!
Karl war heute Abend so ausgeglichen, entspannt und reflektiert wie lange nicht mehr 
Er fand es toll und möchte gerne wiederkommen 



Liebe Grüße, Verena.“
Das freute uns von

Diese Begleitung ist übrigens nur durch die Spenden vieler möglich. Junge Familien geraten durch den Tod oft in eine finanzielle Notlage.
Danke für eure Unterstützung.
Scherz-Trostsalbe
Und dann saßen wir da:
der Vater, die beiden Söhne und die Tochter. Drei Kinder zwischen 7 und 11 Jahren. Die Mutter ist krank und konnte nicht mitkommen und so saßen wir am Sonntagmittag zusammen und sprachen über das, was sich verändert hat, das, was Sorge bereitet und auch, was dennoch Freude macht.
Es war ein Sonntag, weil es dringlich war und wir versuchen, Dringliches möglich zu machen.
Nach einer gemeinsamen kurzen Gesprächsrunde ging Anna, meine Familientrauerbegleitungskollegin mit den drei Kindern ins Musikzimmer. Dort erzählten sie weiter, stellten eine Trostsalbe für sich selbst her - außerdem durften sie noch für weitere Menschen eine Salbe herstellen, von denen sie glaubten, diese könnten sie auch gebrauchen.
Während ich mit dem Vater über seine Gedanken und Fragen zur Situation austauschte, mischten die drei Kinder mit Anna die Salben an.
Währenddessen sprachen sie auch darüber, wo sie am und im Körper Sorge oder Angst verspüren und dort die Salbe äußerlich nutzen wollen.
Dann kamen sie nach einer 3/4 Stunde zurück und schenkten als erstes dem Vater eine Salbe. „Riecht sie gut?“ fragte die Tochter und der jüngste Sohn fragte: „Papa, wo sitzt deine Traurigkeit?“
Der mittlere von den drei Kindern stellte mir 2, einen orangen und einen weißen Salbentopf hin. Alle drei Kinder kicherten.
„Für dich. Eine Scherz- und eine Trostsalbe, Riech doch mal!!“, sagte er.
„Zuerst die Scherzsalbe, bitte! Die mit dem Smiley“, sagte das Mädchen.
Ich öffnete die Dose und erwartungsvoll, das Grinsen bis hinter beide Ohren, saßen die Kinder da: „Puh!“ sagte ich - befreiendes Lachen war zu hören.
Es war ein Mischung aller Düfte, die sie grässlich und damit lustig fanden.
Und mit der weißen Dose bekam ich noch eine Orangensalbe, wohlriechend. „Weil du traurig bist, dass dein Hund Nero tot ist“, sagten sie.
Das rührte mich.
Es gefiel mir selbst, dass ich in meiner Rührung auch lachen und mich über die beiden besonderen Salbendosen freuen konnte.
Es freute mich auch, dass Kinder, die auch aktuell Traurigkeit kennen, trotzdem lustige Späße machen können.
Das eine schließt das andere nicht aus.
Stein und Feder
„Schau mal, wir haben gestern „Stein und Feder“ gemacht und der Tisch sah einfach so schön aus in der Ü28-Gruppe“, schreibt Benni Bauerdick und schickt ein Foto mit.
Kathrin Wittke und er leiten die Ü28-Gruppe, junge Erwachsene, deren Eltern, Geschwister oder beste Freunde verstorben sind, treffen sich einmal im Monat im LAVIAhaus.
Benni und Kathrin erzählen, der der Stein für die Frage steht: „Wer oder was ist mein Fels in der Brandung oder was habe ich schon Schweres gemeistert?“
Die Feder bedeutet: „Was bringt mir Leichtigkeit im Leben?“
So gut, wenn sich Menschen über Freude und Leid austauschen und stützen können.
War dir das bewusst?
"Guten Tag Frau Schroeter-Rupieper, können Sie uns helfen? Die Mutter unserer Kinder, 9 und 13 Jahre alt, meine Frau, die meine große Liebe ist, seitdem wir 16 waren, ist überraschend gestorben. Ich sitze mit meinen Kindern grade fassungslos an unserem Küchentisch, die Notfallseelsorgerin hat uns ihren Kontakt genannt ..."
Heute am Freitag ging mein Urlaub zu Ende und nach dem guten Frühstück bei Christoph, Nina und und ihren Töchtern in Großkaro/Bayern, wo wir eine Besuchs- und Übernachtungspause gemacht haben, kam die schon oben benannte Nachricht eines Vaters aus meiner Heimatstadt an.
Er fragte nach Unterstützung für sich und beide Kinder und hat nun einen Termin in der kommenden Woche im LAVIAhaus in Gelsenkirchen - Ückendorf erhalten.
Heute sind es auf den Tag genau 4 Wochen, dass ich nach Umbrien verreist bin und ich eine Nachricht auf dem AB, bei Whatsapp und per Mail hinterlassen habe, dass ich am 12.8. wieder voll erreichbar bin, wir bis dahin bei LAVIA Familientrauerbegleitung eine "Urlaubsbesetzung" für Notsituationen anbieten. Das haben Kolleg:innen vor Ort geleistet, ich selbst hatte mir jede Woche 2 "Arbeitstage" eingerichtet.
In den Sommerferien erhalten wir weniger Anfragen als außerhalb der Ferienzeit, aber dennoch fast jeden Tag ein bis zwei.
"Guten Tag, mein Mann ist gestorben, uns war von der Psychoonkologin geraten worden, das Sterben noch nicht zu thematisieren. Nun ging es schnell, wir konnten wir uns nicht mehr voneinander verabschieden und mein Sohn, 14, hat sich zurückgezogen, spricht nicht mehr. Unser Hausarzt gab uns ihre Adresse..."
Wenn Ihr schätzen solltet, wie viele Menschen aus Gelsenkirchen.de, aber auch u.a. aus Herten, der Stadt Essen, Bochum, Recklinghausen, Herne etc. dringende Hilfe innerhalb dieser 4 Wochen angefragt haben (ich spreche von AKUTER Hilfe, wo Eltern oder Kinder im Sterben liegen oder in dieser Zeit verstorben sind) - was würdet Ihr sagen?
Es waren
11 verwitwete Männer und Frauen,
7 Väter und Mütter, sprich: 3 Elternpaare und eine alleinstehende Mutter, deren Kinder im Alter zwischen 1 Jahr und 20 Jahren durch Krankheit, Unfall und plötzlichen Tod verstorben sind
2 Elternpaare, deren Kinder in der späten Schwangerschaft verstarben
4 junge Erwachsene zwischen 21 und 28 Jahren, deren Eltern verstarben
und zugehörig zu den Erwachsenen
18 Kinder und Jugendliche zwischen 1 und 15 Jahren, wo Eltern Beratung oder Kinder und Jugendliche Begleitung wünschen.
4 älteren alleinstehenden Erwachsenen haben wir die Kontakte der Gastkirche/Gasthaus RE und Hospizgruppen im Umfeld weitergegeben, da unser Schwerpunkt die Trauerarbeit mit jungen Familien ist, in denen Mütter, Väter oder Kinder versterben oder verstorben sind.
Aus Österreich, der Schweiz, Berlin und Bayern kamen insg. 4 Anfragen, die wir an Kolleg:innen weitergeleitet haben.
Es sind alles Menschen, die in Ausnahmesituationen Hilfe anfragen und sie von uns in diesen Akutsituationen kostenfrei erhalten, weil es Menschen gibt, die unsere gemeinnützige www.LAVIA-gGmbH.de durch Spenden unterstützen.
„Mein Mann wird sterben, unsere Kinder sind 1,5 und 4 Jahre alt. Der Kindergarten gab uns ihre Adresse …“
Keine der o.g. Städte, deren Bürger:innen von dem Angebot der Familientrauerbegleitung profitieren, unterstützen die LAVIA-Familientrauerbegleitung mit einer stabilen Finanzierung - oft mit gar keiner Finanzierung. Tatsächlich arbeiten wir seit über 30 Jahren in Trauerbegleitung mit Familien ausschließlich über Spenden.
Ich weiß, dass viele politische Entscheidungsträger:innen wissen, dass es uns gibt und daher unsere Kontakte weitergeben - dass sie oft aber gar nicht inhaltlich wissen, was wir wirklich tun, welche gute Basis wir für ein gesellschaftliches Weiterleben innerhalb der Städte bieten und leisten.
Ich werde versuchen, in der kommenden Zeit immer wieder ein "LAVIA-Wusstet Ihr ...-Update" hier zu geben und würde mich freuen, Ihr würdet es teilen und Stiftungen, Unternehmen und Entscheidungsträger:innen der Städte, die von unserer Familientrauerbegleitung profitieren, um Unterstützung bitten.
Wir brauchen die Hilfe Vieler, um viel helfen zu können. Vielleicht auch, um eines Tages in Eurem Bekanntenkreis da sein zu können.
Louis
Louis ist 9 Jahre alt.
Seine Mama ist vor ein paar Wochen verstorben. Die Welt steht still und Louis kann gar nicht in Worte fassen, was gerade überraschend für ihn passiert ist. Seine Mama kann doch nicht „tot“ sein - als er zur Schule ging, lebte sie doch noch. Er verkriecht sich in sein Zimmer, redet nicht mehr, isst kaum noch und Tränen kommen auch nicht. Irgendwie nix.
Sein Vater ruft mich an, bittet um Trauerbegleitung für Louis.
Wir treffen uns bei den beiden zu Hause, im geschützten Rahmen, wo beide Männer sich wohlfühlen.
Ich lerne Louis kennen, setze mich an die Heizung seines Kinderzimmers und sehe Familienfotos auf den Fensterbänken stehen. Ich frage Louis, ob ich sie herunternehmen und mir anschauen darf. Er stimmt zu und setzt sich ein bisschen zögerlich zu mir.
Ich frage, an welchen Orten sie auf den Fotos gewesen sind, welche schönen Momente sie erlebt haben, wie Mama eigentlich ist. War…
Er erzählt von ihr, von Ausflügen, davon, dass sie doch immer da ist, wenn er nach Hause kommt und jetzt alles so still ist, so anders.
„Mama kommt doch wieder, oder nicht?!“
Ich überlege, ob Louis seine Mama wohl „tot“ gesehen hat, ob er begreifen konnte, dass sie nicht mehr lebt?!
Ich frage ihn und er sagt: „Nein, gesehen habe ich sie nicht, aber jeder sagt, sie sei tot. Dann die Frage: „Was heißt das, sie ist „tot“? Als ich morgens zur Schule gegangen bin, war sie noch da. Und dann war sie weg. Unfair! Sie hat mich verlassen, sie hat mich nicht lieb, sonst wäre sie nicht gegangen und hätte mich hier gelassen."
Louis steht auf, holt sich ein Bild, kitzelt drauf herum. Meidet den Augenkontakt, dreht sich ein wenig weg.
Ich bitte seinen Vater dazu, mit Einverständnis von Louis.
In diesem Moment ist es mir wichtig, dass Louis eine Bezugsperson an seiner Seite hat.
Ich erzähle und erkläre, was „tot sein“ bedeutet, wie sich ein toter Mensch verändert, wie der Mensch sich anfühlt, wenn kein Leben mehr im Körper ist. Ich erkläre auch (auf Nachfrage) wie man bestattet werden kann. Louis hat viele Fragen. Fragen, die ihm bisher keiner beantwortet hat, aus Angst man könnte das Kind traurig machen oder traurig sehen? Louis hat aber auch keine Fragen gestellt - wie soll man auch, wenn es zuwenig Grundwissen gibt?
Louis fragt seinen Vater nach seiner Mama, wie sie aussah, wo sie ist, warum sie gestorben ist. Die Interaktion zwischen den beiden ist gut, sie sehen sich an, sie reden miteinander. Ohne Angst, man könnte etwas Falsches sagen. Wie wertvoll und gut ist das bitte?!
Zum Ende der Begleitung sitzen wir alle auf dem Boden. Louis hat Kekse und Schokolade geholt. Die beiden Männer sitzen nebeneinander, sehen sich immer wieder an und reden. Mit Pausen und ohne. Es fühlt sich gut und richtig an, für die beiden und besonders für Louis.♥️
Kommt gut in die Woche, mit geweinten und gelachten Tränen.
Eure Chanti aus dem Lavia-Team.
Foto: Pixaby
Friedhofs-Schnitzeljagd
In der heutigen Kindertrauergruppe haben die 9-12 Jährigen, Helena, Helene und Anna mit einem gemeinsamen Frühstück in unserer LAVIAküche gestartet. Unter den neun Kindern war heute auch eines zum ersten Mal da nach dem Tod des Vaters.
Ein anderes Mädchen war zum zweiten Mal da und brachte allen Kindern etwas Süßes aus ihrem Osterkörbchen mit. Es gab Pancakes mit unserem neuen Pancakemaker vom @Ambulanten Kinderhospizdienst Hagen.
Vielen Dank noch einmal an dieser Stelle für das tolle Geschenk 😊 Die Kinder fanden es super.
Im Anschluss sind wir eine große Runde über den Südfriedhof gelaufen. Zwischendurch sind wir an 6 verschiedenen Stationen stehen geblieben und haben über die vorbereiteten Fragen gesprochen. Es wurden Gedanken, Ängste und Sorgen, die sich in Zukunft auflösen sollen auf wasserlösliches Papier geschrieben und in eine Wasserstelle gegeben.
Auf der Baumelbank im Laviahaus haben wir dann die Abschlussrunde gemacht. Alle Kinder haben eine Wunschblume mitgenommen, auf die sie zusammen mit ihrer Familie Wünsche für sich und die Verstorbenen schreiben können.
Es war eine wirklich schöne und sommerliche Gruppe.
Wir freuen uns auf weitere Outdoor-Gruppen.
Jason
Jason und Emily sind 18 Jahre alt, als sie sich kennenlernten auf einer Feier mit Schützenfest, Musik und einem Bier in der Hand. Sie waren 2,5 Jahre zusammen. Glücklich, mit viel Liebe im Herzen und wenig Streit. Emily ist mit dem Beginn des 20.Lebensjahres erkrankt. Sie bekam eine Zeit lang Chemotherapie und ist darüber hinaus verstorben.
Ich treffe mich mit Jason, der mittlerweile 24 Jahre alt ist. Er hat meine Nummer von einem Arbeitskollegen bekommen. Erst schreiben wir per WhatsApp und jetzt sehen wir uns. In Echt.
Wir laufen in dem Ort entlang, wo sich Emily und Jason kennengelernt haben. Hier fühlt er sich ihr nah und denkt besonders fest an sie.
Jason erzählt über Emily, wie schön sie war, was sie besonders ausgemacht hat, was er vermisst. Auch jetzt, Monate und Jahre später. „Weißt du, auch wenn es schon ein paar Jahre her ist, als Emily starb, so vermisse ich sie trotzdem immer wieder.“
„Ich habe zwischendurch immer wieder eine Freundin gehabt, geliebt und gefeiert, aber es fühlt sich nicht richtig an. Ich kann mit niemandem über Emily reden. Es fragt keiner nach! Es macht mich einfach unfassbar traurig". Er neigt seinen Kopf nach unten und weint. Tränen, die lange zurückgehalten worden sind, nicht beweint wurden, aus Angst, es könnte einer mitbekommen, wie schlecht es Jason wirklich geht.
Ich erkläre ihm, dass “nicht geweinte Tränen sich hinten wieder anstellen“ und man auf Dauer krank wird, wenn man Gefühle und Tränen immer herunter schluckt.
„Es fühlt sich so an, als würde ein Elefant auf meinem Brustkorb sitzen oder heiße Tränen in die Augen schießen. Dann beiße ich oft die Zähne zusammen, damit es keiner bemerkt. Jetzt gerade tut es einfach gut, das herauszulassen. Ohne Bewertung und ohne das ich komisch angeschaut werde."
Ich lächle ihn an und setze mich mit ihm auf die Decke. Ich hole zwei Dosen Cola heraus, die ich mitbrachte. Wir schweigen ein paar Minuten und schauen uns die Umgebung an.
„Sag mal, Jason, wenn du einem anderen einen Rat geben solltest, was dir und dann auch vielleicht ihm/ihr helfen könnte, was würdest du aus deiner langen Erfahrung dazu sagen?"
"Sucht euch Hilfe!" Er lacht dabei und schaut mich an. Und wie schön ist das. 😉
„Nein, wirklich, Chanti. Es ist so, gerade in meinem Umfeld wird eher weniger über Gefühle gesprochen. Meine Familie kann mich nicht gut aushalten. Meine Tränen, die Wut, meine Hilflosigkeit. Freunde und Bekannte fragen nicht, haben Angst davor, etwas Falsches zu sagen - was ja Blödsinn ist, ich würde mich ja freuen, wenn sie fragen würden - und mit wem neutralen zu sprechen, tut einfach gut. Ohne Bewertung, mit Empathie und Verständnis. Das tut echt gut. Ich kann es nur jedem weiterempfehlen!".
Jason erzählt weiter und wir sitzen noch eine ganze Weile auf der Decke.
Mit vielen Erinnerungen, geweinten Tränen und gelachten Momenten.
Nase an Nase
Charlotte ist 10 Jahre alt, ihr Papa ist vor ein paar Tagen verstorben, so plötzlich und ohne Vorwarnung. Ihre Welt steht still und begreifen, dass Papa „tot“ ist, will und kann sie nicht. Wie auch? Er war ja gesund und sie haben noch vor 2 Wochen ihren 10. Geburtstag gefeiert.
Ich erhielt einen Anruf ihrer Mama, mit der Bitte, vorbeizukommen und zu unterstützen. Wir sitzen am Esstisch des Wohnzimmers und reden über die letzten Tage, über das, was passiert ist. Charlotte kommt immer wieder mal dazu, sieht mich an, redet ein wenig und geht dann wieder in ihr Kinderzimmer.
Ich habe bunte Motivtaschentücher dabei, verteile sie auf den Esstisch und bitte Charlotte um Hilfe. Ich frage Sie: „Welches Taschentuch passt heute zu deiner Stimmung?“ Charlotte überlegt und schmunzelt, lacht dabei und nimmt sich ein Taschentuch mit zwei Eisbären, die ihre beiden Nasenspitzen berühren. „Weißt du, mein Papa und ich haben immer Nase an Nase gespielt. Nicht küssen oder so, nein Nase an Nase, und dann hat sein Bart immer so gepikst.“ Sie lacht und erinnert sich. „Papa hat das immer abends gemacht, als er mich ins Bett gebracht hat, das war unser Ritual! Und jetzt ist es irgendwie anders – wir haben keine Rituale mehr. Wir essen nicht mehr gemeinsam, ich gehe allein zu Bett, und Nase an Nase gibt es auch nicht mehr. Ich vermisse ihn so!“ Charlotte läuft zu ihrer Mama und setzt sich auf ihren Schoß. Die beiden umarmen sich, halten sich, weinen gemeinsam. Was für ein schöner und trauriger Moment.
„Wisst ihr“, sage ich, „ich finde es gerade so schön, dass keiner allein weint oder in sein eigenes Zimmer geht. Ihr sitzt gemeinsam hier, denkt an Papa und sprecht immer wieder miteinander. Ihr seid füreinander da und könnt diese Rituale wieder einfügen. Stück für Stück in eurem eigenen Tempo.“
„Mama, können wir so etwas Ähnliches wie Nase an Nase machen. Vielleicht den Rücken streicheln oder so? Papas Ritual soll bleiben, nicht verändert werden. Das würde sich komisch anfühlen. Aber Rückenstreicheln wäre schön. So ab und zu?!“
Charlottes Mama schaut sie lächelnd an und nickt ihr zu: „Total gerne!“. ♥️
Luise
Luise ist 18 Jahre alt, seit mehr als 3 Jahren bei LAVIA Familientrauerbegleitung und kommt jeden Monat zur Jugendtrauergruppe von Olaf und Chanti.
Ihre Eltern sind beide vor ein paar Jahren verstorben, seitdem lebt sie in einer Wohngruppe, fühlt sich dort total gut aufgehoben.
In der Zeit vor Ostern kippt Luises Stimmung zwischen Fröhlichkeit und Traurigkeit. Ein Gefühl von allem, in ihrer Worten ausgedrückt: „ Scheiß-Gut-Gefühle". Luise erzählt davon, dass alle anderen Feste feiern mit der Familie, jeder eine Kleinigkeit besorgt (und wenn es nur 'ein popeliger Osterhase ist'), sie sich aber in der Welt gerade einfach verloren fühlt. Ihre Stimmung kippt, indem sie Dinge kaputt macht, die ihr eigentlich heilig sind, sich nicht mehr an Absprachen hält,...
Und sie fühlt sich (in diesen Momenten) gut dabei. Sie feiert, sie kauft, sie lebt.. Und dann.. Holt sie die Traurigkeit wieder ein und eigentlich findet sie ihr Verhalten ziemlich scheisse.
Wie gut, dass Luise so tolle Sozialpädagogen/innen und Erzieher/innen an ihrer Seite hat, die in solchen Momenten für sie da sind. Sie auffangen, sie unterstützen. Und wie gut ist es einfach, dass Luise selbst bemerkt hat, dass sie vor Gefühlen davon läuft, die sie gerade nicht aushalten kann.
Sie holt sich Hilfe.
Chanti, eine Kollegin aus dem Lavia-Team nimmt Kontakt zur Wohngruppe auf, auch ihr ist aufgefallen, dass Luise nicht mehr regelmäßig zur Trauergruppe kommt, sie nicht mehr auf WhatsApp schreibt, Anrufe nicht durchgehen. Der Austausch zwischen der Wohngruppe, Luise und ihr läuft reibungslos ab. 🙏
Die beiden treffen sich an einem Samstagmittag im ZOOM Erlebniswelt Gelsenkirchen, freuen sich aufeinander, begrüßen sich von Herzen und sind einfach froh sich nach so langer Zeit wieder zu sehen. ♥️
Sie reden, schauen sich die Tiere an und essen Pommes dabei. Sprechen nicht nur über „Scheiss-Gut-Gefühle" sondern auch über die guten Dinge, die Luise in der letzten Zeit wiederfahren ist. Was ihr gut tut nach der Traurigkeit, worauf sie eigentlich stolz sein kann in ihrem Leben. Kleinigkeiten die man im Alltag vielleicht vergisst, eine Unbeschwertheit die man spüren darf auch wenn die Traurigkeit zwischendurch mal anklopft...
Luise und Chanti sehen sich das Nilpferd an, wie unbeschwert es läuft, zwischendurch ins Wasser geht, wieder raus kommt, sich schüttelt. Vielleicht zwischendurch auch Mal die Traurigkeit 'abschüttelt'? Wer weiß das schon. 😉
Friedhofs-Ralley
Hallo an Euch,
in der letzten Kindertrauergruppe haben wir eine Friedhofs Ralley gemacht. Auf spielerische Art und Weise sind wir mit den Kindern über Tod und Trauer ins Gespräch gekommen.
Eine Frage war: „Kann und darf Gras über den Verlust wachsen – so, wie es bei manchen Gräbern der Fall ist? 🪦🌿
Ein Junge, dessen Mutter vor zwei Jahren verstorben ist, sagte, dass es nun nicht mehr so schmerzt wie zu Beginn und der Verlust nicht mehr so allgegenwärtig sei.
Kinder, bei denen der Verlust noch nicht so lange her ist, waren da ganz anderer Meinung. Sie sagten, dass es noch ganz schrecklich sei und sie ganz feste vermissen würden.
Der Austausch war so gut zwischen den Kindern, auch weil sie merken, dass sie mit ihrem Gedanken nicht allein sind. Sie haben andere Kinder in ihrer Gruppe die auch jemanden aus ihrer Familie verloren haben, keiner wird ausgelacht, keine Frage ist komisch und jedes Kind darf sein so wie es ist. Das gibt ihnen Sicherheit und einen geschützten Rahmen.
Auf diesem Bild durften die Kinder Gedanken und Sorgen auf wasserlösliches Papier schreiben. Diese sollten sich ganz bewusst auflösen. Probiert es gern selbst mal aus. 😊♥️
Wenn ihr uns weiterhin oder auch ganz neu unterstützen möchtet.. Dann tut dies gern hier.. ⬇️
Paypal: http://bit.ly/LaviaPayPal
oder
per Überweisung an
Kontonummer:
DE74360602951001339016 LAVIA gGmbH
Danke, von Herzen.
Ein komisches Gefühl
„Und, wie bist du heute hier?“ frage ich den 10-jährigen Thimo, dessen Papa vor 5 Wochen nach einem Autounfall gestorben ist und reiche ihm den LAVIA Gefühlsstein mit den Symbolen ❤️💧😊💨☀️und bunten Punkten.
Thimo wählt die bunten Punkte, legt den Stein auf den Tisch und sagt: „So durcheinander geht es mir. Papa fehlt mir einfach. Ein komisches Gefühl ist das immer wieder, dass er jeden Tag weg ist …“
Thimo und seine Schwester haben mit @anna.saboo im Musikzimmer Grabkerzen gemalt und dabei über den Papa, aber auch den Umgang mit der Traurigkeit erzählt.
Während ich mit der Mutter am Küchentisch ebenfalls über die Traurigkeit der beiden Kinder und ihre eigene Trauer sprach, überlegte sie laut, ob sie nicht auch einfach mit sich selbst Mitleid anstatt nur Trauer habe.
„Selbstmitgefühl - zu Recht, oder?“ fragte ich und sie dachte nach und nickte. Und dann sprachen wir weiter …
Als sie mit den Kindern nach Hause ging, kauten Bruder und Schwester auf den Kaugummis rum, die sie vorab noch aus dem Kaugummi-Automaten bei uns im Flur erworben hatten. Thimo hatte - in Erinnerung an den Automaten - extra 20 Cent von seinem Taschengeld mitgebracht.
Zum Abschluss unseres Treffens hatte er auf dem LAVIA Gefühlsstein den Smiley ausgesucht, weil ihm das Malen und die Gespräche gefallen hatten - und weil er sich auf das Kaugummi freute.
Vatertag
Wenn es schon der 5. Vatertag ohne einen lebenden Sohn ist und als Mann nicht gelernt wurde, mit der Trauer so gut wie möglich auch in schwierigen Zeiten umzugehen, wenn Drogen vieler Arten genutzt werden, um den Schmerz zu betäuben, um nach aussen hin einen „ganzen Kerl“ abzugeben, der sich aber nicht mehr ganz fühlt - dann kann es sein, dass man(n) eines Tages einen Vatertag in der Justizvollzugsanstalt verbringt, wo ich bin heute bin, weil da ein Vater ist, der es ohne Verdrängung mal ausprobieren möchte, wie sich Weiterleben und damit das Kind im Herzen weiterlieben anfühlen könnte.
Ein Abend im LAVIAhaus
Ein Abend im LAVIAhaus:
Während in der Küche sechs Männer und sieben Frauen Nudeln mit Lachs-Sahnesoße oder wahlweise Birnen-Walnuss-Gorgonzolasosse aßen (ameinrad bekocht immer die Elterngruppe aufs köstlichste) und wir später über die Trauer um die verstorbenen Kinder sprachen und wir dabei unterschiedliche Brillen symbolisch nutzten, im kleinen Wohnzimmer eine Mutter aus der Gruppe ihr Baby stillte,
saßen im Anbau verwitwete Mütter mit den Trauergruppenleiterinnrn Anna Saborowski und Helena Knabenschuh zusammen, um über die pädagogische Trauerarbeit ihrer jungen Kinder zu sprechen.
Im Musikzimmer wiederum saßen Jugendliche, bzw. junge Erwachsene mit Malte Rupieper bei einer Abendbrotpizza zusammen und redeten über dies und das.
Zuvor hatte Gerhild Uhling eine Begleitung mit einem Ehepaar,
dessen großer Sohn nach einer OP überraschend verstorben ist. Vorab fand wiederum ein Online-Seminar für die Justizakdemie statt und Telefonate von Teamern mit betroffenen Familien.
„Bei euch ist immer viel los“, sagte letztens ein Nachbar im Vorübergehen. Er sagt, er sehe, dass bei uns gut was los ist.
„Gut was los“, das stimmt, obwohl der Ursprung, warum Menschen zu uns kommen, nicht gut ist - aber gut, sich gemeinsam auf den Weg in das „neue Normal“ zu machen.
Schokoladenessen - Geburtstagsspiele am Todestag
Eva, unsere junge Kollegin hatte am Samstag Geburtstag und es war gleichzeitig der Todestag ihrer Mama.
Damals, als sie 8 Jahre alt wurde, starb ihr Mutter in der Nacht.
Es war eine liebe Mama, ganz sicher keine, die der Tochter durch ihren Todestag das Leben vermasseln wollte.
Wer das so denkt, selbst nicht mehr feiert oder Mitleid mit dem Geburtstagskind hat, hat nur den einen Blickwinkel anvisiert.
Eva, heute 24 Jahre alt, sagte wie auch ihr Papa als Kind: „Mama musste ja wegen ihrer Krankheit sterben und vielleicht wollte sie nicht einfach zwischendurch sterben, sondern hat sich einen Familientag ausgesucht. Und weil mein achter Geburtstag der nächste Feiertag war, ist sie da gestorben.“
Ja, vielleicht war es so, vielleicht auch noch anders.
Aber wir dürfen selbst aus den Bausteinen des Lebens unsere Geschichte machen, mit der wir weiterleben wollen.
Als ich vor 15 Jahren mit meiner Trauergruppenpraxis umzog und Frank Baranowski, der ehemalige Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, zur Einweihung kam, fragte er: „Was ist eigentlich Familientrauerbegleitung?“
Die Arbeit war da, obwohl ich schon viele Jahre tätig war, nicht so bekannt - noch mehr als heute tabuisiert.
Ich erzählte ihm vom Geburtstag und Todestag in der Familie unserer jetzigen Trauerbegleiterin. „Familientrauerbegleitung bedeutet, leben lernen mit dem Verlust, der geschehen ist. Bestmöglich, damit es wieder ein gutes, wenn auch verändertes Leben sein wird.“
Samstag kam Eva an ihrem Geburtstag zur Gruppenstunde nach Gelsenkirchen. Helene Löring, ebenfalls Lavia-Kollegin, hatte einen Geburtstagskuchen gebacken, ich hatte Schokoladenessen für den Abschluss der Gruppenstunde vorbereitet.
Wir luden ehemalige Trauergruppenmitglieder vom Geburtstagskind ein, drei von ihnen schickten eine Videobotschaft, zwei Grüße per WhatsApp und eine weitere, Lotte, kam vorbei.
Gemeinsam mit den jungen Frauen der jetzigen Trauergruppe zwischen 17 und 20 Jahren, sprachen wir über das Großwerden ohne Mama und Papa.
Es war berührend, es flossen Tränen, es war ernsthaft und am Ende, beim Schokoladenessen wurde so viel gelacht. Es war ein besonderer Tag.
Mit besonderen Menschen.
Frühling
Der Frühling naht.
Die Tage werden länger und heller. Triebe sprießen, Knospen beginnen (auf)zublühen.
Darf, kann oder soll sogar nach dem Tod des eigenen Kindes wieder etwas Schönes, Gutes, Neues (er)wachsen? Diesen und weiteren Fragen gingen Claudia & Gerhild in ihrer Elterntrauergruppe nach und erzählen:
„Dabei bereiteten wir Samenkugeln zu: Erde, Heilerde, Samen wie Vergissmeinicht oder Falling in love wurden dazu mit Wasser vermengt.
Sie werden auf dem Grab, in Balkonkästen oder im Garten einen Platz bekommen oder auch in Schachtel verweilen.
Es war ein tiefer und intensiver Abend, der viele Erinnerungen geweckt hat, aber auch die eine oder andere Knospe zum Vorschein gebracht hat.“
Die Schuhe
„Die Schuhe, es sind die Schuhe…“
In der Trauergruppe jung verwitweter Männer und Frauen sprechen wir darüber, ob etwas beim nach Hause kommen irritiert, traurig macht: das Türschild, die Stille, die Jacke an der Garderobe, bei deren Anblick ich weiß: „Er fehlt!“ oder: „Sie fehlt!“
„Ach was“, sagt Klara. „Es ist nicht die Jacke. Es ist nicht die Stille. Es sind die Schuhe!“
„Die Schuhe?“
„Ja! Wenn ich nach Hause komme und sehe, welche Schuhe im Flur vorne stehen, dann weiß ich, wer grade da ist. … und seine Schuhe, die musste ich als Erstes wegräumen.“
Alle verstehen, was sie meint. Was sie fühlt.“
Was habt ihr als Erstes weggeräumt, als jemand aus dem Haushalt weggezogen oder verstorben ist?
Sofort oder nach längerer Zeit?
Versprechen
Die Mama stirbt und das Krankenhaus bittet um Unterstützung für die achtjährige Tochter, damit sie am Bett Abschied nehmen kann.
Die Mutter ist nicht mehr ansprechbar, alles ging ganz schnell, keine Medizin konnte sie Blutvergiftung aufhalten.
Oma und Bruder wollen nicht mehr an das Sterbebett, Lara, die kleine Tochter, hat ihr einen Brief geschrieben und dazu etwas gemalt, sie will auf jeden Fall zu Mama hin - und das ist wertvoll, denn so wird sie besser verstehen können, dass die Mama wirklich sterbenskrank ist.
Und auch die tote Mama wird sie sehen dürfen, da bin ich dem Krankenhaus dankbar, dass sie es auch dem Kind ermöglichen.
Die Ärztin und ich erklären Lara kindgerecht, was geschehen ist und auch, dass die Mama verändert durch die Intubation und Wassereinlagerungen aussieht.
„Aber es ist ja trotzdem die Mama, sie kann nichts dafür, dass sie jetzt nicht so schön wie sonst aussieht.“ Lara nickt.
Sie geht mit der Ärztin und mir ins Zimmer der Mutter, zögert erst, dann geht sie geht sie auf die Mama zu und sagt: „Hallo Mama, auch wenn du nicht mehr so schön aussiehst, ich habe dich trotzdem lieb.“
Dann dreht sie sich zu mir um und fragt:
„Mechthild, wenn Mama nicht mehr sprechen kann, kann sie denn dann noch lesen?“
„Nein, lesen kann sie auch nicht mehr.“
„Hören?“
„Ja, hören kann sie vielleicht, was du sagst - und vielleicht kann sie ja auch mit dem Herzen hören?“
„Ja, mit dem Herzen, das kann die Mama.“ Ach, ja, das glaube ich auch, Mamas können so was und Papas ganz sicher auch …
Und dann liest sie der Mama den Brief vor und sagt: „Und Mama, wenn du tot bist, dann besuche ich dich jeden Tag auf dem Friedhof und ich räume auch immer mein Zimmer auf und …“ Ich unterbreche sie. „Lara“, sage ich, „wenn Mama jetzt sprechen könnte, dann würde sie bestimmt sagen: aber jeden Tag muss du nicht zum Friedhof kommen, du kannst ja auch so zwischendurch an mich denken. Und Zimmer aufräumen klappt auch nicht jeden Tag, oder?“ Ja, das sieht Lara auch ein und später spreche ich noch mit der Ärztin und Oma, dass Versprechen am Sterbebett oft im Alltag schwer fallen und ein schlechtes Gewissen erzeugen können. Und wer schon ausreichend mit trauern zu tun hat, brauch doch keine zusätzlichen Schuldgefühle, oder?“
Dass wir von Lavia Lara und weitere Kinder, Jugendliche und Familien in Extremsituationen begleiten können, verdanken wir auch all denen, die unsere Arbeit durch Spenden unterstützen.
Barfuß über Scherben
Silke hat vor vielen, vielen Jahren einen schweren Autounfall überlebt, die Liebe ihres Lebens verstarb in ihren Armen.
Durch die posttraumatische Belastungsstörung konnte sie unzählige Jahre buchstäblich kein "Sterbenswörtchen" darüber sprechen, bis dann schließlich eine kluge, weitsichtige Trauma-Therapeutin sah, dass neben dem Trauma auch die nie gelebte Trauer bewältigt werden muss.
Und so kommt Silke seit einigen Monaten zur Einzelbegleitung nach Lavia - und es braucht Mut und viel Vertrauen, sich auf diesen Weg zu machen.
Nun, zum Jahresbeginn, galt es, eine Bestandsaufnahme zu machen und in den Blick zu nehmen, was alles sie schon erreicht hat und was noch werden soll und darf und so entstand dieses Bild:
Der Gefühlsstein mit dem bunten Konfetti, das im Kopf und im Herzen wuselt, heute leicht und bunt, manchmal aber auch verwirrend und belastend - so viele feine Nuancen.
Der große geschliffene Glasstein, der zum "Ausblick" einlädt wie eine magische Glaskugel, verändert das Bild je nach Bewegung, Blickwinkel und Licheinfall und zeigt so deutlich die vielen Facetten der Trauer.
Es gilt, behutsam die schweren Steine, die im Innern um den Verlust aufgeschichtet wurden, um den Schmerz unter Verschluss halten zu können, freizulegen und aufzubrechen: und tief drinnen das eigene Funkeln wieder zu entdecken.
Das Gedicht von Clara Louise „Barfuß über Scherben“ hilft, diesem tiefsitzenden Schmerz die passenden Worte zu geben, denn die eigene Sprache versagt noch. Gedicht aus dem Band: Schon immer genug
Und dann kommt die Schneekugel ins Spiel, denn jedes Treffen wühlt auf, als würde ein Schneesturm in der Seele toben - aber dann setzt es sich, es kommt immer mehr zu Klarheit und Ruhe.
Die Schneekugel hat Silke nun zum Gestalten mit nach Hause genommen: um sie mit einem Wort, einem Bild, einem Wunsch, einem Ziel, einem Gedanken,... zu bestücken, um sich vor Augen halten zu können, was sie schon geschafft hat und auch, um sich vergewissern zu können, dass sich nach jeder Erschütterung der Schmerz senkt und die eigene Innere Kraft erkennbar wird.
Abschlussrunde auf der Baumelbank
Im September haben wir die Kindertrauergruppe zum Thema „Go und NoGo in der Trauer“ angeboten. Zunächst haben wir gemeinsam gefrühstückt und über Veränderungen gesprochen. Was hat sich seit der letzten Trauergruppe bei dir verändert? Hat sich in der Schule etwas seit dem Tod verändert? - „Ohja! Die Mitschüler sind viel netter geworden.“ Da waren sich die meisten Kinder einig. Aber es wurde auch klar benannt, dass dieses immer nett sein und immer nachfragen, manchmal auch nervig ist, weil es einen wieder an die Traurigkeit erinnert.
Danach wurden in Kleingruppe Go-Fragen, (Fragen die vielleicht leichter zu beantworten sind), und NoGo-Fragen, (Fragen die man sich sonst nicht so traut zu stellen), beantwortet.
Die Rückmeldung aus den Kleingruppen war eindeutig: NoGo-Fragen sind tausendmal spannender und auch ein bisschen aufregend. „In der Schule würde ich mich gar nicht trauen, auf so eine Frage zu antworten, aber hier kennt das ja jedes Kind. Da kann man ruhig über Sachen sprechen, die viele denken, aber sich nicht trauen, darüber zu reden“ sagte Moritz, nachdem er die Frage beantwortet hat, ob man es manchmal lieber hätte, jemand anderes, den/die er kennt, wäre gestorben, anstatt seine Mama.
Zur Abschlussrunde ging es dann in den Garten auf die Baumelbank: noch einmal kurz im Laviahaus die Seele und Beine baumeln lassen, bevor es zurück nach Hause in den Pool, zum Kindergeburtstag oder zur Freundin ging.
Liebe Grüße, Eure Anna und Helena aus dem Lavia-Team, die eine der Samstagsgruppen leiten!
SchülerInnen laufen für LAVIA
Im September haben wir, Anna, Leandra und Mechthild, in der Katholischen Grundschule Im Emscherbruch vom Schulleiter Marcus Schultewolter 2500€ an Spendengeldern überreicht bekommen, die Schulkinder beim Sponsorenlauf erlaufen haben.
Es ist das zweite Jahr, in dem LAVIA von der Schüler-, Lehrer- und Elternschaft unterstützt wird - weil die Notwendigkeit gesehen wird.
Dafür sind wir sehr dankbar!
Auf den Bilder im Sekretariat stehen zwei Botschaften, die die Haltung des Rektors, von Claudia, der Pädagogin, und dem gesamten Team ausdrücken:
„I see you“ und „Be different“ - gesehen werden in der Unterschiedlichkeit und damit Einzigartigkeit, wie wertvoll ist das für Schüler:innen, Eltern und auch das Kollegium!
Danke von Herzen!
Ein bisschen Glitzer
Alexander ist 16 Jahre alt,
besucht monatlich die Trauergruppe von LAVIA und ist dort seit einem Jahr.
Sein Bruder starb an seinem ersten Geburtstag.
Alexander spricht wenig über seine Gefühle, versucht vieles zu verdrängen und möchte eigentlich gar keine Gefühle zulassen.
„Ist uncool für Jungs. Muss nicht sein", so sind oft seine Worte. In Zeiten der Trauer fragen viele nach dem Sinn des Lebens und der Sinnhaftigkeit des Verlustes. Auch verursacht die Trauer seelische und häufig auch körperliche Schmerzen.
Den meisten Trauerenden, wie Alexander, ist bewusst, woher der Schmerz kommt.
Wie sie damit umgehen, ist dagegen sehr verschieden.
Alexander beißt lieber seine Zähne zusammen, schluckt die Tränen runter und lässt sich durch seine Playstation ablenken.
In der Trauergruppe reflektieren wir darüber, wie man immer wieder den Sinn seines eigenen Lebens wieder findet.
Wir gestalten mit verschiedenen Materialien den eigenen Schmerz. Wie er sich anfühlt, was man tun kann, damit es einem wieder besser geht. Was wir brauchen, damit wir nicht nur verdrängen und den 'Sinn des Lebens' wieder finden.
Alexander beschreibt seine Gedanken:
„Meine Traurigkeit, ist wie in einer Muschel umhüllt, geschützt und nicht angreifbar. Zwischendurch kann ich sie öffnen, dann kann ich ein wenig aufatmen und die wärmende Sonne spüren. Das ist meist in Situationen, wo ich erfolgreich in der Schule bin und ich meine Zeit alleine im Zimmer habe.
Zwischendurch denke ich an meinen verstorbenen Bruder und ich spüre ihn ganz nah bei mir. So wie die zwei Perlen, die nebeneinander liegen und einander Schutz und Kraft geben.“
Alexander überlegt, nimmt dann die Flasche mit dem Glitzer und streut es über sein gestaltetes Bild. „Wisst ihr, ich mag kein Glitzer, aber mein Bruder hat es geliebt. Immer wenn ich Glitzer sehe, dann muss ich an ihn denken. Selbst in der Schule. Verrückt. Oder?"
Und alle aus der Gruppe reden mit ihm, teilen ihre Gedanken mit ihm, kommen ins Gespräch.
Er fügt zum Abschluss hinzu: „Eigentlich ist es nicht so mein Geschmack, Glitzer über mein Bild zu zerstreuen, aber es fühlt sich richtig und gut an.- hat ja auch was mit meinem Bruder zu tun." Und lächelt dabei.
Alexander schreibt nach der Trauergruppe, dass er das erste Mal seit dem Tod seines Bruders Erleichterung verspürt hat und es ihm richtig gut ginge.
Er wird versuchen, seine Muschel Stück für Stück mehr zu öffnen und sich zu trauen, seine Gefühle zu benennen. Und wie schön ist das.
Schatz-Täschchen
Karin Hesse und Birgit Aulich aus dem LAVIA-Team leiten 1x im Monat die Mädchentrauergruppe im LAVIAhaus. Im August trafen sie sich das erste Mal wieder mit neuen und alten Gesichtern der Gruppe nach den Sommerferien.
Auf dem Küchentisch liegen bunte, selbstgenähte Schatz-Täschchen von Birgit, verschiedene Symbole, die die Mädchen beschriften können und Samen zum Einsäen.
Die Mädchen, Karin und Birgit reden über die Ferien, über das Vermissen und über Fragen wie: „Was war das schönste Erlebnis mit Mama oder Papa, Bruder oder Schwester, was vermisst du so sehr, dass es immer noch wehtut?"
Es werden viele Erinnerungsmomente aufgeschrieben, ausgetauscht, aufgemalt und in das Schatz-Täschchen hineingelegt.
Die Gruppe ist an diesem Abend mit vielen bunten und gemischten Gefühlen nach Hause gegangen. Jedes der Mädchen ist froh darüber gewesen, über die Gedanken und Empfindungen zu sprechen.
Am frühen Morgen bekomme ich noch eine zusätzliche Nachricht von Birgit mit der Bitte, über diese Gruppeneinheit hier zu berichten.
"Zwei der Mädchen haben gestern eine Tüte mit 'Vergiss mein nicht' – Samen mitgenommen. Diese sollen im nächsten Frühling ausgesät werden und mit guten Wünschen und Erinnerungen aufblühen.
Es war ein tränenreicher Nachmittag für die Mädchen, für Karin und mich hat es aber Einblicke gegeben, die wir so nur ganz selten zu sehen bekommen. Die Mädchen waren und sind erleichtert darüber gewesen, dass sie in dieser Gruppe so viel Intimität und Wohlbefinden zulassen können, ohne dass jemand von außen darüber lachen würde. DAS ist LAVIA.“