Die Schuhe

„Die Schuhe, es sind die Schuhe…“
In der Trauergruppe jung verwitweter Männer und Frauen sprechen wir darüber, ob etwas beim nach Hause kommen irritiert, traurig macht: das Türschild, die Stille, die Jacke an der Garderobe, bei deren Anblick ich weiß: „Er fehlt!“ oder: „Sie fehlt!“
„Ach was“, sagt Klara. „Es ist nicht die Jacke. Es ist nicht die Stille. Es sind die Schuhe!“
„Die Schuhe?“
„Ja! Wenn ich nach Hause komme und sehe, welche Schuhe im Flur vorne stehen, dann weiß ich, wer grade da ist. … und seine Schuhe, die musste ich als Erstes wegräumen.“
Alle verstehen, was sie meint. Was sie fühlt.“
Was habt ihr als Erstes weggeräumt, als jemand aus dem Haushalt weggezogen oder verstorben ist?
Sofort oder nach längerer Zeit?

 

Abschlussrunde auf der Baumelbank

Im September haben wir die Kindertrauergruppe zum Thema „Go und NoGo in der Trauer“ angeboten. Zunächst haben wir gemeinsam gefrühstückt und über Veränderungen gesprochen. Was hat sich seit der letzten Trauergruppe bei dir verändert? Hat sich in der Schule etwas seit dem Tod verändert? – „Ohja! Die Mitschüler sind viel netter geworden.“ Da waren sich die meisten Kinder einig. Aber es wurde auch klar benannt, dass dieses immer nett sein und immer nachfragen, manchmal auch nervig ist, weil es einen wieder an die Traurigkeit erinnert.
Danach wurden in Kleingruppe Go-Fragen, (Fragen die vielleicht leichter zu beantworten sind), und NoGo-Fragen, (Fragen die man sich sonst nicht so traut zu stellen), beantwortet.
Die Rückmeldung aus den Kleingruppen war eindeutig: NoGo-Fragen sind tausendmal spannender und auch ein bisschen aufregend. „In der Schule würde ich mich gar nicht trauen, auf so eine Frage zu antworten, aber hier kennt das ja jedes Kind. Da kann man ruhig über Sachen sprechen, die viele denken, aber sich nicht trauen, darüber zu reden“ sagte Moritz, nachdem er die Frage beantwortet hat, ob man es manchmal lieber hätte, jemand anderes, den/die er kennt, wäre gestorben, anstatt seine Mama.
Zur Abschlussrunde ging es dann in den Garten auf die Baumelbank: noch einmal kurz im Laviahaus die Seele und Beine baumeln lassen, bevor es zurück nach Hause in den Pool, zum Kindergeburtstag oder zur Freundin ging. 😀
Liebe Grüße, Eure Anna und Helena aus dem Lavia-Team, die eine der Samstagsgruppen leiten ♥️

Schatz-Täschchen

Karin Hesse und Birgit Aulich aus dem LAVIA-Team leiten 1x im Monat die Mädchentrauergruppe im LAVIAhaus. Im August trafen sie sich das erste Mal wieder mit neuen und alten Gesichtern der Gruppe nach den Sommerferien.

Auf dem Küchentisch liegen bunte, selbstgenähte Schatz-Täschchen von Birgit, verschiedene Symbole, die die Mädchen beschriften können und Samen zum Einsäen.
Die Mädchen, Karin und Birgit reden über die Ferien, über das Vermissen und über Fragen wie: „Was war das schönste Erlebnis mit Mama oder Papa, Bruder oder Schwester, was vermisst du so sehr, dass es immer noch wehtut?“
Es werden viele Erinnerungsmomente aufgeschrieben, ausgetauscht, aufgemalt und in das Schatz-Täschchen hineingelegt. ♥️
Die Gruppe ist an diesem Abend mit vielen bunten und gemischten Gefühlen nach Hause gegangen. Jedes der Mädchen ist froh darüber gewesen, über die Gedanken und Empfindungen zu sprechen.
Am frühen Morgen bekomme ich noch eine zusätzliche Nachricht von Birgit mit der Bitte, über diese Gruppeneinheit hier zu berichten.

„Zwei der Mädchen haben gestern eine Tüte mit ‚Vergiss mein nicht‘ – Samen mitgenommen. Diese sollen im nächsten Frühling ausgesät werden und mit guten Wünschen und Erinnerungen aufblühen.

Es war ein tränenreicher Nachmittag für die Mädchen, für Karin und mich hat es aber Einblicke gegeben, die wir so nur ganz selten zu sehen bekommen. Die Mädchen waren und sind erleichtert darüber gewesen, dass sie in dieser Gruppe so viel Intimität und Wohlbefinden zulassen können, ohne dass jemand von außen darüber lachen würde. DAS ist LAVIA.“ ♥️

 

Schüler*innen laufen für LAVIA

Im September haben wir, Anna, Leandra und Mechthild, in der Katholischen Grundschule Im Emscherbruch vom Schulleiter Marcus Schultewolter 2500€ an Spendengeldern überreicht bekommen, die Schulkinder beim Sponsorenlauf erlaufen haben.

Es ist das zweite Jahr, in dem LAVIA von der Schüler-, Lehrer- und Elternschaft unterstützt wird – weil die Notwendigkeit gesehen wird.
Dafür sind wir sehr dankbar!
Auf den Bilder im Sekretariat stehen zwei Botschaften, die die Haltung des Rektors, von Claudia, der Pädagogin, und dem gesamten Team ausdrücken:
„I see you“ und „Be different“ – gesehen werden in der Unterschiedlichkeit und damit Einzigartigkeit, wie wertvoll ist das für Schüler:innen, Eltern und auch das Kollegium!
Danke von Herzen!

Ein bisschen Glitzer

Alexander ist 16 Jahre alt,
besucht monatlich die Trauergruppe von LAVIA und ist dort seit einem Jahr.
Sein Bruder starb an seinem ersten Geburtstag.
Alexander spricht wenig über seine Gefühle, versucht vieles zu verdrängen und möchte eigentlich gar keine Gefühle zulassen.
„Ist uncool für Jungs. Muss nicht sein“, so sind oft seine Worte. In Zeiten der Trauer fragen viele nach dem Sinn des Lebens und der Sinnhaftigkeit des Verlustes. Auch verursacht die Trauer seelische und häufig auch körperliche Schmerzen.
Den meisten Trauerenden, wie Alexander, ist bewusst, woher der Schmerz kommt.
Wie sie damit umgehen, ist dagegen sehr verschieden.
Alexander beißt lieber seine Zähne zusammen, schluckt die Tränen runter und lässt sich durch seine Playstation ablenken.
In der Trauergruppe reflektieren wir darüber, wie man immer wieder den Sinn seines eigenen Lebens wieder findet.
Wir gestalten mit verschiedenen Materialien den eigenen Schmerz. Wie er sich anfühlt, was man tun kann, damit es einem wieder besser geht. Was wir brauchen, damit wir nicht nur verdrängen und den ‚Sinn des Lebens‘ wieder finden.
Alexander beschreibt seine Gedanken:
„Meine Traurigkeit, ist wie in einer Muschel umhüllt, geschützt und nicht angreifbar. Zwischendurch kann ich sie öffnen, dann kann ich ein wenig aufatmen und die wärmende Sonne spüren. Das ist meist in Situationen, wo ich erfolgreich in der Schule bin und ich meine Zeit alleine im Zimmer habe.
Zwischendurch denke ich an meinen verstorbenen Bruder und ich spüre ihn ganz nah bei mir. So wie die zwei Perlen, die nebeneinander liegen und einander Schutz und Kraft geben.“
Alexander überlegt, nimmt dann die Flasche mit dem Glitzer und streut es über sein gestaltetes Bild. „Wisst ihr, ich mag kein Glitzer, aber mein Bruder hat es geliebt. Immer wenn ich Glitzer sehe, dann muss ich an ihn denken. Selbst in der Schule. Verrückt. Oder?“
Und alle aus der Gruppe reden mit ihm, teilen ihre Gedanken mit ihm, kommen ins Gespräch.
Er fügt zum Abschluss hinzu: „Eigentlich ist es nicht so mein Geschmack, Glitzer über mein Bild zu zerstreuen, aber es fühlt sich richtig und gut an.- hat ja auch was mit meinem Bruder zu tun.“ Und lächelt dabei.
Alexander schreibt nach der Trauergruppe, dass er das erste Mal seit dem Tod seines Bruders Erleichterung verspürt hat und es ihm richtig gut ginge.
Er wird versuchen, seine Muschel Stück für Stück mehr zu öffnen und sich zu trauen, seine Gefühle zu benennen. Und wie schön ist das. ♥️🐚

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